Zusammenspiel der Realiatete als eines der Hauptprinzipien des Sujetaufbaus im Roman "Stiller" von Max Frisch — страница 10

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Entstehung des Haupthemas. Das Haupthema basiert vorwiegend auf formellen Elementen- auf den Strukturen wie "Text im Text" mit den gebrochenen Kompositionsrahmen, wo die Grenzen zwischen Realitaeten verzerrt sind. (vgl. Levin 1981: 55-58) Indem Autor seine Figuren etwas traeumen, erfinden, luegen oder erzaehlen laesst, wird der Prozess des Erfindens selbst expliziert. Lotman (1981) hat diese "Kaestchenkonstruktion" eines Textes mit dem Spiegelmotiv in der Malerei verglichen. "Fuer die Bezeichnung dieses Textphaenomens scheint der Terminus "virtuell" geeignet zu sein. […] Die Wirklichkeit, die sich im Bewusstsein der Figuren eines literarischen Textes konstituiert, kann als "virtuelle Wirklichkeit" bezeichnet werden".

(Čelikova 1998: 224) Virtuelle Fragmente im Text helfen oft das Verborgene ans Licht zu bringen, das heisst, sie sind Schluessel zur Intention des Autors. 'Das Zusammenspiel der Realitaeten' im Rahmen einer fiktionalen Welt ist einer der verbreitesten Griffe der modernen Literatur. Dieses Zusammenspiel basiert auf den Wechselbeziehungen zwischen der fiktionalen und virtuellen Wirklichkeit. Diese zwei Welten koennen sowohl voneinander abhaengig sein und einander ergaenzen, als auch einander verschlingen. Manchmal dringt das virtuelle Fragment in die Struktur des Erzaehlens ein und ersetzt sie. Lotman bezeichnete diese "virtuelle Wirklichkeit" als "doppelter Code". In diesem Zusammenhang behauptete er, dass diese Erscheinung dazu fuehrt, dass der Hauptraum

des Textes, das heisst seine fiktionale Wirklichkeit, als 'real' empfunden wird. Daraus folgt, dass der Hauptext als 'real' und virtuelle Abschnitte darin als 'fiktional' fungieren. Nachstehend sprechen wir von dem Zusammenspiel der Textrealitaeten, das auf gegenueberstellung "Wirklichkeit- Fiktion" basiert. Man kann das mit Recht mit der Opposition "Vorhandenes-Moegliches" vergleichen. In dieser Hinsicht ist Rolf Kieser zuzustimmen, der gerade die durch das Tagebuch forcierte "Konfrontation von Dokumentation und reiner Fiktion, der beiden Zeitbegriffe der linearen Chronologie und der diachronischen Vergaengnis, der Oeffentlichkeit und des Individuums, des objektiv erfassbaren Geschehnisses und der subjektiv erlebten Erfahrung, der Ich- und der

Er-Position" als Weg sieht, das eigene Wesen [...] in dialektischer Befragung zu ertasten." (Kieser 1978: 126,) Es ist keine Konkurrenz, sondern ein notwendiges sich Ergaenzen. Auch wenn "das Faktum nur geringen Wert [hat], da sich das Ich in ihm nicht angemessen ausdruecken kann," (edg.: 132) so ist der Bericht, das Protokoll u.ae. von Bedeutung, weil die Umwelt des Ich widerspiegelt wird. Die Analyse von diesen Konzepten gibt uns die Moeglichkeit zur Untersuchung des Aufbaus des Romans vom Standpunkt seiner inneren Realitaeten aus zu uebergehen. 2.     Mehrschichtigkeit der Textwirklichkeit in "Stiller" Der Roman "Stiller" weist eine aehnliche "Kaestchenstruktur" auf. Das vollzieht sich erstens auf

verschiedenen Ebenen der Textwirklichkeit und zweitens traegt die perspektivierte Erzaehlweise dazu bei. Im Rahmen des vorliegenden Forschungsthemas werden drei Ebenen der fiktionalen Textwirklichkeit untersucht, weil sie als Elemente des Zusammenspiels der Realitaeten fungieren. Die Mehrschichtigkeit kommt in "Stiller" in solchen Textfragmenten wie amerikanische Geschichten, die Knobel erzaehlt werden, parabolischen Geschichten und Traeumen zum Ausdruck. Frisch will die Wirklichkeit nicht nur in Fakten suchen, sondern gleichwertig in Fiktionen. Indem der Tagebuchschreiber Fiktionen waehlt und damit spielt, um sich auszudruecken, indem er Geschichten erzaehlt, also moegliche Beispiele gibt, fuer das, was er erlebt hat, laeuft er nicht Gefahr, sich selbst im Bildnis

festzulegen. Die Notwendigkeit sich mitzuteilen, kommt in "Stiller" dann zum Ausdruck, wo der Gefangene dem Waerter Knobel Geschichten erzaehlt. Diese Geschichten sind Beispiele fuer das obenerwaehnte Phaenomen "Text im Text" und tragen zur inneren Mehrschichtigkeit des Textganzen bei. Der Gefangene nennt das Rekonstruieren von Stillers Lebensgeschichte "Protokollieren" (der schweizerische Text). Damit will er zweifellos seine Objektivitaet betonen und beweisen, dass er nichts mit "Erinnerung" zu tun hat. Neben der Lebensgeschichte Stillers spielt auch die Lebensgeschichte des Gefangenen Mr. White eine Rolle (der amerikanische Text), oder besser zu sagen sein Leben; denn er hat keine Lebensgeschichte, keine Vergangenheit, sein Leben besteht