Die literatur im umbruch das spate mittelalter — страница 11

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seht verschiedenen Gestaltungsmöglichkeiten, wie er die Produktion der Dichter, aber auch das Verständnis vom Sammlern bestimmt, zugunsten einer statischen Katalogisierung geleugnet wird. Ein summarischer Überblick kann ohnehin nur festhalten, dass die spätmittelalterliche deutsche Kleinepik den literarischen Bezirk darstellt, in dem sie die größtmögliche thematische Vielfalt ereignet. Damit ist sie auch der fruchtbarste Boden für die Weiterentwicklung der volkssprachlichen Literatur von einer Veranstaltung für wenige zum Medium für viele. Im deutschen Mittelalter berühren sich Fabel, Bispel und Exempel vielfach. Die Fabel kennzeichnen knappe fiktive Vorgänge, die meist von Tieren – gelegentlich von Pflanzen oder unbelebten Objekten – ausagiert werden, als Spiegel

menschlichen Verhaltens gedacht sind und von prägnanten Lehren oder Erfahrungssätzen beschlossen werden. Charakteristisch ist für das Bispel seine Gliederung in einen ersten, gedrängt erzählenden oder beschreibenden und einen (diesen oft Punkt für Punkt) auslegenden zweiten Teil, der ebenfalls in lehrhaften Maximen endet. Als Exempel kann schließlich jede aufs knappste reduzierte Erzählung, Schilderung oder Beschreibung dienen, an der sich eine allgemeine Lehre demonstrieren lässt. Abgrenzungen zwischen den drei Typen können schon deshalb nie ganz reinlich sein, weil der Erzählteil vieler Tierbispel aus altem Fabelgut stammt. Für die Bispelautoren stellen die Fabeln nur einen, wenn auch recht beliebten, Bereich dar, aus dem sie sich Anregung oder Stoff für den

Erzählteil holten. Darüber hinaus schöpften sie aus einem noch reicheren Reservoir, das aus exempelartigen Formen, allerlei Denkwürdigkeiten, Anekdoten usw. bestanden haben muss. Quellen sind hier nur in de seltensten Fällen dingfest zu machen. Gestützt auf die verschiedensten Indizien, hat die Forschung zwar eine ganze Reihe von Fabeln, Bispel und Exempeln bestimmter Autoren mehr oder minder sicher zuweisen können, aber verglichen etwa mit Mären oder Minnereden, ist Verfassernennung in diesen Genres noch viel seltener. Anonymität scheint ähnlich zu den Gattungsregeln zu gehören wie in der Heldenepik oder im Minnesang, vielleicht weil sich der einzelne auch hier eher als Sachwalter einer Tradition versteht, selbst wenn diese die Volkssprache übergreift [7; S.57-59].

Innerhalb der Kleinepik wie innerhalb der Reimpaargedichte nimmt die Fabel eine Sonderstellung ein. Diese ist nicht aus der Überlieferung ablesbar. Sie beruht vielmehr darauf, dass die Fabel durch die Jahrhunderte hindurch kaum feste Gattungskonventionen innerhalb der jeweiligen volkssprachigen Literatur entwickelt. Hingegen regeneriert sie sich ständig aus einem weitverzweigten lateinischen Traditionsnetz. Auf der literarischen Ebene bleibt die deutsche Fabel im Mittelalter keineswegs aufs kleine Reimpaargedicht beschränkt, obwohl dies im 13. und 14. Jahrhundert ihre dominierende Form ist. Immer wieder bedienen sich der Fabel ferner die Sangspruchdichter, zum Beispiel Herger, Reinmar von Zweter, Konrad von Würzburg, der Marner und Frauenlob, die sie jedoch – ähnlich wie

Freidank in seiner Kurzgnomik – oft bis zur knappen Anspielung verkürzen. KAPITEL 7 DIE MYSTISCHE LITERATUR DES SPÄTEN MITTELALTERS ALS AUSDRUCK DER ÜBERNATÜRLICHEN ABERGLAUBEN Im 14. Jahrhundert erlebt die geistliche Literatur, vor allem in Predigt, Legende und Vision, noch einmal einen Höhepunkt. Sie wird angeregt von der Mystik. Am Beginn mystischer Literatur, die schon wesentlich früher einsetzt, steht „Das fließende Licht der Gottheit“ der Mechthild von Magdeburg (um 1210 bis 1282 oder 1297). Die aus sächsischem Adelgeschlecht stammende Mechthild trat nach Erleuchtungserlebnissen in ihrer Jugend als Begine (Laienangehörige) in das Kloster Sankt Agnes bei Magdeburg ein; seit 1270 lebte sie als Nonne in dem Zisterzienserinnenkloster in Helfta bei Eisleben. In

ihrem siebenbändigen Werk „Das fließende Licht der Gottheit“ offenbart sie in der Form des höfisch-weltlichen Minnesangs und ausdrucksvoller, teilweise ekstatischer Sprache Erfahrungen der Gottessehnsucht, Visionen ihrer Seelenbrautschaft mit Christus und der kosmischen Schöpfungs- und Endzeitgeschichte. Visionen, Offenbarungen, Prophezeiungen sind hier verbunden durch die Verherrlichung der Hochzeit zwischen Seele und Christus. Die sieben Bücher „Das fließende Licht der Gottheit“, deren Original verschollen ist, entstanden zwischen 1250 und 1282 in niederdeutscher Sprache. Der Text, ein herausragendes Zeugnis mystischer Weltdeutung, ist in mittelhochdeutscher Übertragung erhalten [6]. Die große Leistung, welche die Lyriker vor allem um Meister Eckhart für die